2011 schlendere ich durch den Bazaar in Istanbul und schaue interessiert die faszinierende Auswahl an Tüchern an, die es dort zu sehen gibt.

Wer den Bazaar kennt weiss, sobald man nur den Anschein macht etwas anzuschauen, kommt sofort der Verkäufer her und fängt eifrig an seine Ware anzupreisen. Das sei ausgezeichnete Qualität und alle von handgewoben beginnt er. Ich nehme ihm das aber nicht so recht ab und gehe weiter.

Doch die Frage, wie denn die Tücher genau gefertigt werden, beschäftigt mich weiterhin. Ich finde unglaublich viele Tücher toll, aber lasse mir nicht gerne einen Bären aufbinden bezüglich der Herstellungsweise.

Ein paar Jahre später habe ich die Gelegenheit eine Produktion anzuschauen und mir selber ein Bild davon zu machen. Es fasziniert mich die einzelnen Schritte der Herstellung zu sehen und zu erfahren wie denn die Tücher genau hergestellt werden. Das Erlebte habe ich im Blogbeitrag “Über die Produktion der Pestemals” beschrieben.

Bei diesem Besuch weiss am Anfang interessanterweise die für mich verantwortliche Person im Verkaufsdepartement selber nicht genau, welche Tücher wie hergestellt sind. Nach mehrmaligen Nachfragen wird mir erklärt, dass es drei verschiedene Arten gibt ein Pestemal herzustellen:

Handgemacht

Die älteste Methode ist mit dem Handwebstuhl, der vollumfänglich von einer Person betrieben wird: Die Kettfäden werden durch die Füsse mittels Pedalen auf und ab bewegt und der Schussfaden mittels Handzug hin und her geschickt.

Pro Tag können bei kontinuierlichen Weben auf diese Art etwa vier Tücher gewoben werden. Die Tücher sind einzigartig. Hie und da kann auch eine kleine Unregelmässigkeit vorkommen.
Zum Beispiel treat you’s Agatha handgemachtes fairtrade Pestemal und das Pestemal Iki handgewoben sind so gefertigt.

Halbautomatisch hergestellt

Die zweitälteste Methode ist mittels einem sogenannten “Black Loom”, im türkischen “Kara Tezgah” genannt. Diese einfache Webmaschine wurde während der industriellen Revolution, Ende des 18. Jahrhundert in Grossbritannien erfunden und ist schon lange viel verbreitet in der Türkei. Dieser Webstuhl wird mittels Elektrizität angetrieben, muss aber gut überwacht werden um richtiges Funktionieren sicherzustellen. Manche Schritte werden noch von Hand ausgeführt, wie zum Beispiel das häufige Wechseln des Fadens im Schiffchen und das Drehen der Fransen am Schluss. Deshalb wurde der Webstuhl auch “semi-automatic loom” genannt.  

Es können damit ungefähre 20 Tücher pro Tag damit hergestellt werden. Oft werden diese Tücher in der Türkei als “handgewoben” bezeichnet, obwohl sie nicht mit dem Handwebstuhl gefertigt sind.
Das Patara Strandtuch und das Oktopus traditionell hergestelltes Pestemal sind auf so einem Black Loom gefertigt.

Vollautomatisch hergstellt

Die dritte und modernste Methode ist mit der vollautomatische Webstuhl. Es sind meistens breite Webmaschinen, die zwei Bahnen nebeneinander weben können. Die Maschinen weben sehr schnell und präzis. Auch sie müssen überwacht werden, aber eine Person kann gleichzeitig viele Webmaschinen beaufsichtigen.

Mit dem vollautomatischen Webstuhl können etwa 100 Tücher pro Tag gewoben werden.

Unterschiede in der Beschaffenheit der Ränder

Je nach Machart unterscheiden sich die Ränder der Tücher ein wenig. Bei einem automatisch hergestellten Tuch (Foto 1+2) ist der Rand breiter, fester und dicker als bei einem halbautomatisch hergestelltem Tuch (Foto 3+4). Bei einem handgewobenen Tuch (Foto 5+6) unterscheidet sich die Breite untereinander, aber der Rand ist nicht so dick wie bei einem Tuch auf einem vollautomatischen Webstuhl hergestellt.

Es ist nicht einfach sich im Dschungel der Anpreisungen zurechtzufinden. Wenn ich mir heutzutage Tücher anschaue, die als handgewoben bezeichnet werden und sehr günstig sind, stimmt es mich nachdenklich. Einerseits weil ca. 4 Tücher pro Tag gewoben werden, also die Entlöhnung an den Weber sehr gering ist und andererseits bezweifle ich auch ab und zu die deklarierte Machart. Deshalb ist es mir ein Anliegen die Herstellungsart so deklarieren wie das Tuch gefertigt wurde, ohne zu beurteilen ob nun das eine oder das andere besser ist.

Letzthin bin ich wieder einmal an dem Stand im Bazaar in Istanbul vorbeigelaufen. Es war immer noch der gleiche Verkäufer und mir haben seine Tücher immer noch sehr gefallen. Aber dieses Mal habe ich ihn gefragt: „Bist du sicher ist dieses Tuch handgewoben und nicht auf einem Black Loom hergestellt worden?“ Wir mussten beide lachen und ich ging weiter.

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