November 2021

Als ich das letzte Mal treat you’s Weber in der Türkei besuchen wollte, fing gerade die Pandemie an. Ich konnte zwar meine Bestellungen für Nachschub jeweils per whatsapp mit Bildern und vielen Nachrichten besorgen, aber es ist einfach weitaus besser sich in Person mit den Leuten bei einem Tee und Simit (türkischem Brezel) zu unterhalten und zu verständigen. Ein Besuch ist also längst fällig und so begebe ich mich eines schönen Novembertages wiedereinmal auf die Reise ins Land des Bosporus’ und der schönen Tücher. 

Istanbul

Zuerst besuche ich in Istanbul meinen zuverlässigen Lieferanten. Die Stadt ist überaus geschäftig und ich bin überrascht wieviele Touristen es hat, sie kommen vor allem aus arabischen Ländern und Russland. Europäer sind seltener zu sichten, was natürlich auch an der Jahreszeit liegt. Die Türkei ist vor allem in den Sommermonaten und wegen den Strände sehr beliebt. Ausserdem muss ich feststellen, dass ich mich wohl zu fest an das social distancing der letzten eineinhalb Jahren gewöhnt habe, ich bin vom Menschenstrom ein wenig überwältigt.

Es ist so toll alle wieder in echt zu sehen. Sela ist hocherfreut über die mitgebrachte Flasche Raki vom duty free shop und ich kann mich auch mit seinen Chef unterhalten, der mit seinen 75 Jahren immer noch mit Freude jeden Tag zur Arbeit geht, weil er es entspannt findet in seinem Büro. 

Gleichzeitig findet an diesem Wochendende der Istanbul Marathon statt wo die Strasse bei Besiktas und die erste Brücke gesperrt sind. Ein toller Anlass, an dem auch meine Freundin Meryem, die Gründerin der Buldan Stiftung und ihre Freunde teilnehmen. Sie sammeln so Spendengelder für ihr laufendes Projekt, “we are changing the future” das jungen Frauen unterstützt eine Ausbildung zu machen und benützen den Anlass als Wohltätigkeitslauf und als Plattform um auf ihr Projekt aufmerksam zu machen.

treat you unterstützt die Buldan Stiftung durch Teil des Erlöses von den Verkäufen. Mehr dazu in früheren Blogbeiträgen zum Beispiel “Tücherverkauf mit Tiefgang”.

Ich treffe Meryem aber erst am nächsten Tag bei ihnen zu Hause in der Gegend von Denizli, da wir alle in Istanbul heute anderweitig zu beschäftigt sind. 

Wieder unterwegs

Der nächste Teil meiner Reise, beginnt mit spätabendlichem umpacken, packen, ein paar wenige Stunden schlafen, um die “gesegnete Zeit” von 4 Uhr früh aufstehen. Da ich bei der Bushaltestelle um fünf Uhr herausfinde, dass erst um 5.30 der nächste Bus fährt, nehme ich ein Taxi an den neuen, weiter entfernten Istanbul Flughafen. Der Taxifahrer ist so begeistert über die frühmorgentlichen leeren Strassen, dass seine Fahrtgeschwindigkeit für mein Empfinden ein wenig zu schnell ist. Ich möchte ihm deshalb meine Befürchtungen erklären, wobei er dann für den Rest der Fahrt all seine Corona Sicherheitsmassnahmen erläutert. Er meint in diesem Moment ich hätte Bedenken wegen Covid 19 in seinem Taxi. Ich bin an diesem Morgen  wohl “lost in translation”. Um 8 Uhr heben wir aus dem dicken Nebel ab, über die Wolkendecke in die Sonne und fliegen eine Stunde gegen Süden zu. 

Danach nehme ich meinen grösser als gebuchten Mietwagen in Empfang und fahre nochmals eineinhalb Stunden bis zum Ziel. 

Gespannt und freudig nach mehr als zweieinhalb Jahren wieder einmal da zusein, begebe ich mich zum Geleyli Café der Buldanstiftung, wo ich die nimmermüde Mereym auffinde. Begeistert erzählte sie mir von ihrem Erfolg beim Marathon, wo sie 46 Läufer aus der ganzen Türkei dazu motivieren konnte für die Stiftung zu starten und Gelder zu sammeln. 

Garten des Geleyli Cafe’s

Nach etlichen türkischen Tees und Cafés um mich über den Nachmittag wachzuhalten schaue ich mir die Läden im Ort an um neue Ideen zu sammeln und falle nach einem frühen und herzlichen Abendessen mit Meryem, ihrem Mann und ihrer Mutter, durch und durch müde ins Bett. 

Frühstück bei Ibrahim 

Am nächsten Morgen treffe ich mich zum Frühstück mit Ibrahim und seinen Eltern auf ihrer Veranda. Als ich nach der Grossmutter erkundige, die ich bei ersten Besuch in 2016 getroffen habe, erlebe ich meinen zweiten “lost in translation” Moment auf dieser Reise. Ibrahims Mutter zeigt nämlich mit dem Finger nach oben. Ohje…, ich teile ihr bestürzt meine Kondolationen mit, wobei sie mich einen Moment verdutzt anschaut und dann lachend erklärt, dass die Schwiegermutter nicht gestorben sei, sondern oben im Hause verweile. Ich dachte, sie zeige in den Himmel… Ich bin erleichtert sie missverstanden zu haben und geniesse das Frühstück mit voller Freude und der tollen Aussicht in die Hügel 

Wir haben uns sogar noch länger als zweieinhalb Jahre nicht mehr getroffen und freuen uns bei Tee und Simit über die neusten Ereignisse auszutauschen. Meinen ersten Besuch ist im Blogbeitrag “Verliert die Türkei ihre jahrhundertalte Webertradition?” beschrieben. Zum Glück webt Ibrahim immer noch weiter und plant nun auch eine Erweiterung seines Ateliers neben ihrem Haus. 

treat you’s Oktopus traditionell hergestelltes Pestemal und Namaka traditionell hergestelltes Pestemal stammen von seiner Familie. Sie weben diese Tücher auf einem halbautomatischen Webstuhl, dem sogenannten Black Loom in ihrem Atelier neben dem Haus. 

Sorge macht ihnen, wie auch allen hier, die rasant steigende Inflation. Die türkische Lira verliert Woche um Woche an Wert und Nahrungsmittel, Alltagsgegenstände und natürlich auch die Preise der Fäden der Pestemals steigen ununterbrochen. 

Corona schien den Ort zuerst verschont zu haben aber dann kam die 2. Welle und im November wurden sehr viele Leute krank, die Spitäler waren überfüllt und es gab leider auch viele Tote, berichten sie mir. 

Das Leben in der Türkei ist momentan überflutet mit Herausforderungen. 

Nachmittag in Nurai’s Garten 

Am Nachmittag treffe ich mich mit Nurai und ihrem Mann Femi in ihrem schönen Garten neben ihrer Wohnung. Sie haben das Weben zur Zeit auf Eis gelegt, da sie wegen der Pandemie keine Aufträge mehr bekommen haben und sich um ihre 4 Grosskinder gekümmert.

Das will ich ändern, denn ich brauche dringend Nachschub vom Hamamtuchern Nurai, das von ihnen stammt. Sie zeigen mir ihre gesamte Farbauswahl der Fäden und ich versuche mich bei der Vielfältigkeit zu entscheiden, was mir nicht leicht fällt.

farbauswahl

Sie weben ihre Tücher auf einem kleinen Black Loom der im türkischen “yuvalli kara tezgah” genannt wird und Nurai hat einen Handwebstuhl in einem mini Atelier im Garten. Über meinen letzten Besuch bei ihnen habe ich im Blogbeitrag “Reise in die Webergegend Teil 1” berichtet. 

Letzte Eindrücke

Am darauffolgenden Morgen treffe ich mich noch mit Fatma zu einem Schwatz und Café. Sie hat einige unserer Tücher von Hand gewoben und bekommt nun aus dem Ausland sogar Aufträge. Danach mache noch einen abschliessenden Spaziergang durch die Ortschaft. Überall ist das charakteristische Geräusch der Webstühle zu hören und ich bin fasziniert über die alten und zum Teil verfallenen Häuser aus Stein und Holz. 

Die Umgebung hat viel an Geschichte und Kultur zu bieten. Bei meiner nächsten Reise möchte ich gerne die antiken Städte (Laodikeia, Tripolis und Hierapolis) besuchen, oder der beeindruckende weisse Kalkstein von Pamukkale erleben. Ich bin sicher nicht das letzte Mal hiergewesen. 

Bei meinem letzten Abend in Istanbul ist wieder spätabendliches umpacken und packen angesagt. Nach wenigen Stunden schlafen stehe ich am nächsten Morgen wieder in aller Herrgottsfrühe auf und fahre mit dem Taxi an den Flughafen um mich auf den Heimweg in die Schweiz zu begeben. Lost in translations Momente gab es dann keine mehr auf meiner ereignisvollen Reise. 

Istanbul by night

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